Was ist Improtheater?
Als Improvisationstheater bezeichnet man eine Theaterform, die größtenteils ohne Inszenierung auskommt. Es kann sich dabei um eine einzelne Szene, mehrere aneinandergereihte Szenen mit oder ohne inhaltlichen Zusammenhang oder um ein ganzes Theaterstück handeln. Die Schauspieler erschaffen Charaktere und Situation spontan durch Interaktion. Oft wird das Publikum einbezogen, sei es durch Vorgabe eines Themas, durch Entscheidungen über den weiteren Handlungsverlauf oder als Schiedsrichter bei bestimmten Improvisationsspielen. Die meisten Improvisationsformen sind komisch und eher der leichten Unterhaltung zuzuordnen. Allerdings beschäftigen sich auch einige Improvisationskünstler mit ernsten Themen und nutzen diese Theaterform z. B. als politischen Protest.
Die Improvisation spielt jedoch nicht nur auf der Bühne eine Rolle, sondern ist auch ein zentraler Bestandteil der Schauspielausbildung. Im Probenprozess für inszenierte Theaterstücke ist das Improvisieren außerdem eine unentbehrliche Methode der Charakterentwicklung.
Wo gibt es Improtheater?
Auch außerhalb des Theaters können Improvisationsfähigkeiten nützlich sein, z. B. für die berufliche Kommunikation, für schulische oder geschäftliche Präsentationen oder einfach als Grundlage für sicheres Auftreten im Alltag. Auch in Kinder- und Jugendeinrichtungen sowie im sozialen Bereich ist Improvisationstheater ein probates Mittel zur Förderung von Selbstbewusstsein, Sprachfähigkeiten, Integration und Resozialisierung. Sogar die Psychotherapie bedient sich des Improvisationstheaters, um Einblicke in die Gedanken- und Gefühlswelt der Patienten zu erhalten.
Wurzeln des Improtheaters?
Das Improvisationstheater ist vermutlich die älteste Theaterform überhaupt. Die ersten „Schauspieler“ waren Geschichtenerzähler, die mündlich überlieferte Märchen an ihre Zuhörer weitergaben und ihre Darstellung dabei dem Publikum und den Gegebenheiten anpassten. Auch im Theater des antiken Griechenlands und in der altnordischen Skaldendichtung wurde mitunter improvisiert. Das Stegreiftheater war zwar jahrhundertelang hauptsächlich der Volksdichtung vorbehalten, doch war es eine weitverbreitete und anerkannte Kunstform. Einer seiner Ableger war die Commedia dell’arte, die im 16. Jahrhundert in Italien aufkam: Die Schauspieler traten maskiert auf und stellten keine Individuen, sondern bestimmte Menschentypen dar. Auch in England war es zu Shakespeares Zeiten üblich, dass Schauspieler auf der Bühne improvisierten. Mit der Zeit verschlechterte sich jedoch der Ruf des Improvisationstheaters. So wurde es von Kritikern als Verrohung der Theatersitten verunglimpft und trat im deutschsprachigen Raum unter anderem durch Gottscheds Theaterreform im 18. Jahrhundert stark in den Hintergrund. Im 20. Jahrhundert fand das Improvisationstheater allmählich seinen Weg zurück auf die Bühnen der Welt und ist inzwischen wieder fest als eigenständige Kunstform etabliert.
Welche Formen gibt es?
Man unterscheidet zwischen Kurz- und Langformen des Improvisationstheaters. Erstere bestehen aus einzelnen Szenen, die nur einige Minuten dauern und entweder allein stehen oder innerhalb eines thematischen Rahmens aufeinander folgen, aber nicht direkt miteinander verwoben sind. Es existieren unzählige Improvisationskonzepte, wie z. B. der in den 1970er Jahren entwickelte „Theatersport“, bei dem die Schauspieler als Mannschaften oder Einzelkämpfer gegeneinander um die Gunst des Publikums buhlen. Improvisierte Kurzformen sind meist komisch angelegt, Langformen können hingegen ebenso witzig wie ernsthaft sein. Ein Format namens „Harold“ greift einen Themenvorschlag aus dem Publikum auf und die Schauspieler erstellen aus verschiedenen Aspekten dieses Themas eine Art eng verwobene szenische Collage mit teilweise weit entwickelten Charakteren und psychologischer Tiefe. Ein weiterer interessanter Vertreter ist das „Playback-Theater“, bei dem ein Zuschauer eine Geschichte aus seinem Leben erzählt und die Schauspieler den Empfindungen des Erzählers durch ihre Darstellung eine künstlerische Ästhetik verleihen.
Die Kernfrage, die sich jeder Schauspieler stellt, wenn er unvorbereitet die Bühne betritt und mit einem Thema konfrontiert wird, lautet „Wer bin ich?“. Die Charakterentwicklung beginnt mit allgemeinen Informationen, z. B. „Ich bin Hausfrau.“ Durch Interaktion mit den anderen Schauspielern werden immer mehr Details hinzugefügt, so dass sich die Figur im Laufe der Szene vertieft. Auch Beziehungen untereinander sowie die Umgebung werden schrittweise definiert – letztere in Ermangelung passender Requisiten meist pantomimisch. Die Szene kann nur funktionieren, wenn die Schauspieler die Impulse ihrer Kollegen annehmen und nicht krampfhaft an ihrer eigenen Vorstellung festhalten: Improvisationstheater bedeutet vor allem Ja sagen.